Montag, 29. Juni 2009

Staatliche Einmischung in Sterbehilfe, sprich Euthanasie?

Ausland Kanton Zürich will Vertrag mit Sterbehilfeorganistation schließen

Der Kanton Zürich und die Sterbehilfeorganisation „Exit“ wollen erstmals in einem Vertrag die Sterbehilfe für Kranke und Demente regeln. Über 50 Paragrafen beschreiben, wie sich die Zürcher Behörden einen korrekten Suizid vorstellen, berichtete die „Neue Züricher Zeitung“ am Sonntag. Der Vertrag diene der „Qualitätssicherung“ der organisierten Sterbehilfe, heißt es in der Einleitung. Er solle das „Recht auf einen würdigen Tod“ und das „Recht auf Selbstbestimmung“ gewährleisten.

Nach dem Bericht verhandelten der Kanton Zürich und die Suizidhilfeorganisation zwei Jahre lang. Jetzt sei der Entwurf der „Vereinbarung über die organisierte Suizidhilfe“ unterschriftsreif. Sie regele den Ablauf der Sterbehilfe bis ins Detail: Als „Sterbemittel“ erlaubt er nur Natrium-Pentobarbital in der tödlichen Dosis von 15 Gramm. Mindestens zwei Personen müssen beim Suizid anwesend sein, darunter ein sogenannter Freitodbegleiter von Exit.

„Zur Vermeidung von Routineabläufen“ darf ein Sterbebegleiter pro Jahr höchstens zwölf Suizide betreuen. Pro Fall darf er maximal 500 Franken Spesen verrechnen. Sobald der Tod eingetreten ist, muss der Exit-Mitarbeiter die Polizei informieren und ihr eine „Dokumentenmappe“ übergeben. Sie muss unter anderem eine Erklärung enthalten, in der die sterbewillige Person bestätigte, dass sie Suizid begehen will. Auch das Verhalten der Polizei ist reglementiert: Während bisher laut Exit-Angaben bis zu zehn Beamte zu einem Suizid ausgerückt sind, sollen es künftig noch ein bis zwei Polizisten sowie ein Amtsarzt sein.

16 Paragrafen definieren, wem Exit beim Suizid helfen darf: Die Personen sollen „urteilsfähig“ sein, und der Suizidwunsch muss auf „einem schweren, krankheitsbedingten Leiden“ beruhen. Nicht nötig ist, dass der Kranke in Todesnähe ist, auch nicht, dass die Krankheit zum Tode führt: „Der Begriff der Krankheit ist weit auszulegen.“

Der Vertrag schreibt laut Zeitung auch vor, dass Exit sowie die beteiligten Ärzte die Urteilsfähigkeit „mittels wiederholter, länger dauernder und im Abstand mehrerer Woche geführter persönlicher Gespräche“ abklären. In „Ausnahmefällen“ darf Exit das Verfahren jedoch abkürzen. Separate Regeln gibt es für psychisch Kranke, Behinderte, Jugendliche sowie bei „Doppelsuiziden“: In diesen Fällen sind Zusatzabklärungen vorgeschrieben, etwa psychiatrische Gutachten.

Bereits Anfang 2007 hatte die Oberstaatsanwaltschaft einen Entwurf für Mindeststandards für Sterbehilfeorganisationen erarbeitet, zu denen sich sowohl Exit als auch die Organisation Dignitas hätten verpflichten sollen. Dignitas ist bislang allerdings nicht bereit, sich auf die Regeln einzulassen. Die Organisation wendet sich in erster Linie gegen die Begrenzung der Sterbehilfefälle pro Jahr und Sterbehelfer.

Demgegenüber zitiert die Zeitung Exit-Präsident Hans Wehrli mit den Worten, der Vertrag ändere nicht viel an der Arbeit seiner Organisation, die im letzten Jahr 167 Personen beim Suizid geholfen habe. Das Papier beseitige aber Unsicherheiten, sagte Wehrli. So wäre mit dem Vertrag künftig „jedem Arzt klar, dass er Natrium-Pentobarbital verschreiben darf“.

Protest gegen die Vereinbarung hatte in der vorigen Woche der Züricher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger geäußert. Mit der Regelung begebe sich der Staat auf Augenhöhe zu einer Sterbehilfeorganisation, indem er über Rechte und Pflichten verhandle. Das sei seines Erachtens der falsche Weg. © kna/aerzteblatt.de

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