David Levy, Experte für künstliche Intelligenz, prophezeit eine Zukunft, in der Roboter als Lebens- und Sexpartner alltäglich sind. Sein Versprechen: besserer Sex und bessere Beziehungen.
Andy, Maße 101-56-86, hat, was sich Männer vor allem wünschen: "grenzenlose Geduld", so jedenfalls verspricht es ihr Hersteller, die Firma First Androids aus Neumarkt bei Nürnberg. Als Extras lassen sich einbauen: ein "Blowjob-System, stufenlos regelbar", "spürbarer Puls", "kreisende Bewegung der Hüfte" sowie ein "Heizsystem mit regelbarer Steuerung", um die Körpertemperatur anzuheben.
ROBOTIK: SEX MIT MASCHINEN
"Außer an den Füßen - die bleiben kalt wie im richtigen Leben", berichtet David Levy. Der Brite ist mit Andy vertraut, indes angeblich aus rein akademischem Interesse: Für Levy ist die Hightech-Sexpuppe nichts Geringeres als eine Art Vorbotin einer neuen Weltordnung.
Levy ist Experte für künstliche Intelligenz.
"Liebe und Sex mit Robotern" ist sein Thema, "Malebots" und "Fembots" als Lebens- und Liebespartner sind seine Zukunftsvision. Jetzt legt der Schachmeister und Präsident der International Computer Games Association ein Buch vor, das im besten Sinne provoziert*.
Die Thesen des 62-Jährigen: Wir werden Sex mit Robotern haben. Sie werden uns Liebespraktiken zeigen, von denen wir nicht einmal ahnten, dass es sie gibt. Wir werden sie lieben und ehren und ihnen unsere intimsten Geheimnisse anvertrauen. Und: All das wird Wirklichkeit sein in kaum mehr als 40 Jahren.
"Schon allein das Konzept künstlicher Partner, Ehemänner, Ehefrauen, Freunde und Liebhaber sprengt die Vorstellungskraft der meisten", sagt Levy. "Meine These jedoch ist: Aufgrund ihrer vielen Talente werden Roboter extrem attraktive Partner sein."
Angesichts der rasanten technischen Entwicklung sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Maschinen mit menschenähnlichen Eigenschaften aufwarten könnten. Levy: "Sex und Liebe mit Robotern sind unvermeidlich."
Neu ist die Idee der Liebe zu Androiden, den Menschenförmigen, nicht. Bereits in der griechischen Mythologie formt der Bildhauer Pygmalion aus Elfenbein die Statue seiner Idealfrau. Zu Aphrodite, der Göttin der Liebe, betet er, sie möge die auf den Namen Galatea Getaufte zum Leben erwecken. Aphrodite tut ihm den Gefallen. Als Pygmalion Galatea küsst, küsst sie zurück. Die beiden heiraten.
So weit soll es nun auch mit Robotern kommen. Allerorten sieht Levy bereits Anzeichen aufkeimender Robophilie. Die Anziehungskraft des Sony-Roboterhunds Aibo etwa oder des Spielzeugroboters Furby, einer Art Wischmop mit Computerplatine, zeige das Potential von Technik als Projektionsfläche für Emotionen.
"Es ist heute relativ normal, starke Gefühle zu künstlichen Haustieren zu entwickeln", sagt Levy. "Wäre es da so erstaunlich, wenn die Leute ähnlich starke Bindungen mit künstlichen Menschen eingingen?"
Schon simple Computer üben auf so manchen Zeitgenossen fast magische Kräfte aus. "Für Anthony, einen MIT-Studenten, der versucht hat, Freundinnen zu finden, aber feststellte, dass er Beziehungen zu Computern vorzog" - so lautet die Widmung in Levys Buch. Was werden die Nerds erst sagen, wenn sie mit Computern spielen können, die sich bewegen, sprechen, womöglich fühlen können und wie Menschen aussehen?
Gerade in Sachen Sex könnten Roboter den Originalen aus Fleisch und Blut schon bald den Rang ablaufen, behauptet Levy. Tief in die Geschichte des amourösen Maschinenparks dringt der Forscher ein, um die Anfälligkeit des Homo sapiens für technisches Sexspielzeug zu dokumentieren. Von frühen Vibratoren etwa weiß er zu berichten, die per Uhrwerk oder Dampfmaschine losrüttelten. Einen pedalbetriebenen Masturbationsapparat für Frauen beschreibt Levy. Der wurde 1926 von Leipziger Ingenieuren gebaut.
In einer pornografischen Anthologie aus dem Japan des späten 17. Jahrhunderts las der Autor über ein "lüsternes Reisekissen". Die künstliche Vulva, in Japan "azumagata" (Frauenersatz) genannt, war aus Schildpatt gefertigt und hatte ein mit Samt ausgeschlagenes Loch. Holländische Seefahrer wiederum teilten die Kojen auf ihren weltumspannenden Handelsreisen mit handgenähten Lederpuppen.
Bis heute heißen Sexpuppen in Japan daher "Holländische Ehefrauen". Aus Leder sind sie indes längst nicht mehr. Die japanische Firma Orient Industry etwa verkauft perfekt anmutende Frauenpuppen, die noch bis in die Haarspitzen jungen Japanerinnen gleichen und sich auch so anfühlen sollen. Der Erfolg des Unternehmens gründet sich auf das frühe Modell "Antarctica". Einst schleppten Wissenschaftler die Puppe zur japanischen Antarktis-Station Showa, um sich an ihr im langen antarktischen Winter zu wärmen.
Oder die US-Firma RealDoll: Beim Marktführer für naturgetreue Sexpuppen lassen sich für 6500 Dollar beispielsweise "Leah" oder "Stephanie" bestellen - je nach Geschmack mit BH-Größe 65A bis 75H. Jede von ihnen lockt mit drei "Vergnügungsportalen". Auch "Charlie" ist im Angebot, erhältlich mit "montierbarem Penis" in variabler Größe sowie optionalem "Analeingang".
Alles nur erotischer Schmökes für die schnelle Nummer zwischendurch? Keineswegs, behauptet Hideo Tsuchiya, Präsident von Orient Industry. Eine "Holländische Ehefrau" sei mehr als bloß Puppe oder Objekt: "Sie kann eine unersetzliche Liebhaberin sein, die ein Gefühl der Geborgenheit erzeugt."
2. Teil: Immer willig, nie enttäuscht
So ähnlich sieht das auch Levy. Werden Roboterfrauen und -männer also Menschen schon in wenigen Jahrzehnten so sehr ähneln, dass sie als gleichwertige oder gar bessere Alternative zum menschlichen Liebespartner durchgehen?
Die menschliche Erscheinung scheint das geringere Problem zu sein. Vor zwei Jahren bereits enthüllte der japanische Roboterexperte Hiroshi Ishiguro seinen "Repliee Q1"-Roboter. Der sperrige Name führt in die Irre.
Ishiguros Schöpfung darf getrost als erste Roboterfrau der Menschheitsgeschichte gelten. Dank 42 pressluftgetriebener Aktuatoren könne sich "der Gynoid drehen und menschenähnlich reagieren", berichtet Levy. "Sie wirkt, als würde sie atmen, sie kann ihre Hände bewegen, wie es Menschen tun, sie reagiert auf Berührungen", schwärmt er.
Weit schwieriger als bei den reinen Äußerlichkeiten dürfte es indes werden, den Robotern eine Art Seele einzuhauchen. Noch scheitert es am Grundsätzlichen: Derzeitige Robotersensorik sei beispielsweise nicht in der Lage, Menschen zuverlässig auseinanderzuhalten, berichtet Levy. Erkenne ein Roboter aber seinen Partner nicht oder verwechsle er ihn gar mit jemand anderem, sei leicht die Beziehung "ruiniert", hat der Forscher erkannt.
Doch Levy prophezeit rasanten Fortschritt. Anteilnahme, Humor, Verständnis und Liebe - für ihn ist das einzig eine Frage der Technik. Mitgefühl beispielsweise sei "letztlich eine Lernaufgabe" und daher "in Robotern relativ leicht zu implementieren". Die Maschine müsse den Partner schlicht beobachten, dann intelligente Annahmen über dessen Gedanken machen und entsprechend reagieren.
"Künstliche Intelligenz wird es Robotern künftig ermöglichen, sich so zu benehmen, als hätten sie die ganze Bandbreite menschlicher Erfahrungen gemacht, ohne dass dies wirklich der Fall ist", sagt Levy. Beispiel Emotionen: Wenn ein Roboter diese überzeugend darstellt - kann man sie ihm dann überhaupt noch absprechen? Was, wenn die Maschine sagt "Ich liebe dich" und es tatsächlich so klingt, als meine sie es auch?
Die Vorteile der Techno-Kumpane im Vergleich zu menschlichen Liebespartnern hält Levy für bestechend. Untreue, schlechte Laune, Spießertum, Abwaschphobie, Fußballfanatismus - alles Schnee von gestern. Selbst vor dem Tod ist der Robo-Partner gefeit: Die ganze Persönlichkeit der Androiden will Levy auf Festplatten sichern. Kommt der Roboter unter die Räder, wird einfach ein neuer bestellt.
Und der Sex! Immer willig, nie enttäuscht, Migräne ade - und mit den krudesten Phantasien zum Runterladen: "Sextechniken aus der ganzen Welt" könnten dem Roboter einprogrammiert werden - bis hin zum "Lernmodus" für den "sexuellen Novizen", sagt Levy. Vaginadimensionen und Penisgrößen, Körperduft und Bartwuchs - alles nach Wunsch wählbar.
"Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Roboter fast sind wie wir", sagt Levy, "der Effekt auf die Gesellschaft wäre enorm." Selbst ethische und moralische Fragen für die Zeit nach der großen Robo-Invasion wirft der Forscher auf: Wird es unethisch sein, die Androiden an Freunde zu verleihen oder beispielsweise "den Roboter eines Freundes ohne dessen Wissen" zu benutzen? Darf man den Androiden betrügen? Was werden Ehemänner sagen, wenn ihnen ihre Frau zuraunt: "Heute nicht, Liebling, ich will es mit dem Roboter tun"?
Gerade Frauen, so glaubt Levy, würden die Roboter nach anfänglichem Zögern als Alternative zum verschwitzten Hausherrn freudig in Betracht ziehen. Ihr Bedarf an Sex jenseits der mediokren Standfestigkeit vieler Männer sei bereits an den "schwindelerregenden Verkaufszahlen" für Vibratoren ablesbar.
Und die Männer? Nun, für sie könnte man sich das ganze Brimborium mit der künstlichen Intelligenz vermutlich sparen.
Männer seien gewillt, "Sex mit aufblasbaren Puppen zu haben", sagt Henrik Christensen, Koordinator des European Robotics Research Network. Das sei leicht zu toppen: "Alles, was sich bewegt, wird eine Verbesserung sein."
Von Philip Bethge Quelle Spiegel
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