Samstag, 2. Februar 2008

IT-Branche leidet weiter unter Fachkräftemangel

- Erfahrene Mitarbeiter sind Mangelware
- Vorbehalte gegenüber älteren Bewerbern "absoluter Schwachsinn"
- Import von IT-Fachleuten ist "grandios gescheitert"

Der Bedarf an spezialisierten IT-Kräften in heimischen Betrieben ist ungebrochen. Zunehmend gefragt sind "Wunderwuzzis", die außer technischem Verständnis auch Kompetenzen in den Bereichen Projektmanagement, Marketing und Vertrieb aufweisen.

Neben Politik und Bildungseinrichtungen müssen aber auch die Unternehmen selbst in Qualifizierungsmaßnahmen investieren und Bewerber durch eine positive Unternehmenskultur überzeugen, waren sich Experten und Expertinnen gestern, Donnerstagabend, bei einer Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community in Wien einig.

"In vielen Bereichen ist der IT-Arbeitsmarkt wie leergefegt, was zu steigenden Gehältern führt", erklärte Personalberater Robert Fitzthum. Dennoch sei die Situation sehr ambivalent. Nach jahrelang steigendem Bedarf an IT-Fachkräften habe es 2007 erstmals einen Rückgang gegeben, zeige eine Auswertung von Inseraten in ausgewählten Medien.

Insgesamt betrug das Minus sechs Prozent, wobei vor allem der Hype um Softwareentwickler und SAP-Spezialisten einen Dämpfer erlitt. Dies könnte ein Hinweis auf die aktuell schwierige Konjunktursituation sein, da die Personalnachfrage ein Frühindikator der Wirtschaftsentwicklung sei. Nachgefragt würden zurzeit weniger Generalisten als vielmehr Spezialisten, die außerdem Fähigkeiten im Bereich Kommunikation, Projektmanagement und Vertrieb aufweisen könnten.

Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Berater der Umgang von Firmen mit weiblichen sowie älteren Bewerberinnen und Bewerbern. "Der Anteil von Frauen in der IT-Branche geht laut Marktbeobachtern EU-weit zurück, weil die Maßnahmen nicht greifen. Und dass Ältere generell weniger Leistungsfähigkeit aufweisen, ist absoluter Schwachsinn", so Fitzthum.

Als Gegenmaßnahmen zum Fachkräftemangel schlägt er höhere Investitionen in die Ausbildung, eine flexiblere Kurspolitik des Arbeitsmarktservice (AMS) und ein stärkeres Engagement der Unternehmen vor. Die Öffnung des Arbeitsmarktes für EU-Bürger am 1. Jänner 2007 habe zwar zu einer gewissen Entspannung geführt, gehe aber nicht weit genug, plädierte Fitzthum für eine weitere "(Fern-)Ost-Öffnung". Außerdem sollte Österreich eine "Green-Card-Lösung" in Betracht ziehen.

"Deutschland ist grandios daran gescheitert, IT-Fachkräfte zu importieren. Das funktioniert nicht. Die Betriebe selbst müssen in die Aus- und Weiterbildung investieren", meinte hingegen Alexander Hahnefeld, Human-Resources-Manager bei Microsoft. Einfach mehr zu bezahlen als die Konkurrenz sei eine sehr kurzfristige Betrachtungsweise.

"Auch bei uns sind die Bewerbungen eindeutig rückläufig, was zu gewissen Schwierigkeiten führt. Denn die Stellen müssen rasch nachbesetzt werden", sagte Hahnefeld. Allerdings würde sein Unternehmen die Mehrheit der Jobs ohnehin intern nachbesetzen. Im Vorjahr habe man mehr als 40 Prozent des neuen Personals über Mundpropaganda akquiriert. Hilfreich dabei und attraktiv für potenzielle Bewerber sei eine positive Unternehmenskultur.

In dieselbe Kerbe schlug auch Christine Donner, Mitglied der Geschäftsleitung von Hewlett-Packard (HP): "Gute Leute überlegen sich mittlerweile genauer denn je, wo und in welchem Umfeld sie arbeiten wollen. Nur attraktive Arbeitgeber können diese Personen für sich gewinnen und sie auch langfristig ans Unternehmen binden", gab sich Donner überzeugt.

Die nach innen gelebte und nach außen kommunizierte Unternehmenskultur stelle eine der Voraussetzungen dafür dar, neue Fachkräfte über Mundpropaganda zu finden. Stark gefragt seien derzeit Personen, die sich durch zusätzliche Fähigkeiten qualifizieren würden.

"Bewerber, die ein tiefes technisches Verständnis und gleichzeitig Know-how im Vertrieb haben, sind eine rare Spezies", stimmte Wolfgang Leindecker von NextiraOne Austria zu. Grundsätzlich müsse Europa "Wissensdurst" kultivieren und letztlich als überlebensnotwendig anerkennen.

"Kinder aus ärmsten Verhältnissen in Indien kaufen sich bei Straßenhändlern um ein paar Rupien gebrauchte Bücher zum Thema Java-Programmierung, theoretische Physik oder anorganische Chemie - und verschlingen diese mit einem unglaublichen Lerneifer. Auf der anderen Seite sehen wir in Österreich Nachwuchskräfte, die sich nach ihrem Fachhochschul-Studium und einem Jahr Praktikum eine Management-Position erwarten und saftige Gehaltsvorstellungen abgeben", so Leindecker.

Von Fachhochschulen und Universitäten komme zwar eine gut ausgebildete Mitarbeiterschaft nach, das sei aber erst im vergangenen Jahr spürbar geworden, bemängelte Julia Kniescheck, HR-Managerin beim Softwareentwickler Anecon.

Besonders Positionen, in denen eine drei- bis fünfjährige Berufserfahrung vorausgesetzt wird, könnten nur schwer besetzt werden. Schuld daran sei das verspätete Aufspringen der öffentlichen Schulungsanbieter auf den IT-Trend. "Bei dieser Zielgruppe sowie den hochqualifizierten und erfahrenen Beraterinnen und Beratern heißen die Devisen Personalbindung, verstärkte interne Aus- und Weiterbildung und/oder hohe Gehälter zahlen", so Kniescheck.

Die IT-Fachleute von morgen müssten Know-how im Projektmanagement, kaufmännische Kenntnisse und kommunikative Fähigkeiten mitbringen, erwartet Albert Gebauer vom Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) künftig eine breitere Palette an Anforderungen.

Interesse an Informationstechnologie sollte daher schon viel früher geweckt und eine Karriereperspektive in der Branche aufzeigt werden. Allerdings würde von Privaten, Unternehmen und der öffentlichen Hand immer weniger Zeit und Geld in die Qualifizierung investiert. "Die Schulungen sind da, an Bereitschaft und Vertrauen fehlt es aber", bemängelte Gebauer.

Die Partner-Unternehmen der E-Business-Community sind:

- ANECON Software Design und Beratung GmbH www.anecon.com
- Capgemini Consulting Österreich AG www.at.capgemini.com
- diamond:dogs webconsulting GmbH www.diamonddogs.cc
- DIMOCO Direct Mobile Communications GmbH www.dimoco.at
- Direct Marketing Verband Österreich www.dmvoe.at
- economyaustria www.economyaustria.at
- Gentics Sofware GmbH www.gentics.com
- Hewlett Packard www.hp.com/at
- IT Solution GmbH www.itsolution.at
- Kapsch CarrierCom AG www.kapsch.net
- Microsoft Österreich www.microsoft.com/austria
- NAVAX Consulting AG www.navax.at
- NextiraOne www.nextiraone.at
- SER Solutions Österreich GmbH www.ser.at
- Telekom Austria www.telekom.at
- Wirtschaftskammer Österreich www.wko.at
- APA-MultiMedia multimedia.apa.at


- apa, ots -

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